Samstag, 15. Januar 2011
N°4 | Eric Prieditis


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30/12/2010
Liebe Frau Bona,

"Potzblitz! Lass mal Tempelgucken!" Das schlug ich mir vor und nahm einen Tempel mit unfreundlichen Affen ins Visier.



Der Concierge organisierte mir einen Fahrer, der sich als hervorragender Auskenner erwies. Immerhin, er besaß eine offizielle Erlaubnis zum "Gegendzeigen" und ich empfehle jedem, einen solchen offiziellen Gegendzeiger in Anspruch zu nehmen.

Mein Gegendzeiger, dem Namen nach das drittgeborene Kind seines Vaters, besaß nämlich kein Ferienhaus auf einer anderen Insel, und er mußte auch keinen außerplanmässigen Stopp einlegen, um mir die Vorteile der heimatlichen Andenkenindustrie anzupreisen.
Gut, das kostet auf die Tagestour gerechnet vielleicht 5 € mehr. Wenn ich dafür nicht 3 Stunden eines Tages in provisionsvernetzten Groß- und Einzelhandelskaschemmen verbringen muß, zahle ich das gerne. Gibt es sowas eigentlich auch für die Türkei?

Die Fahrt zum Tempel war wenig spektakulär. Es gab Stau in der Stadt und keinen Stau auf der Landstraße. Dafür war es an Letztgenannter herrlich grün. Die Überlandverbindung führte durch den Uni-Campus und war zudem ein hervorragender Ersatz für einen nicht vorhandenen Vergnügungspark.
Rauf-runter, rechts, links und vice versa. Selbst bei der möglichen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h (die nie erreicht wurde), war es für mich, einen ausgewiesenene Achterbahnliebhaber, ein willkommenes Vergnügen.

Ab und an gab es kleine Kioske, die zwei verschiedene Sorten des weltweit bekannten Absolut-Kulant-Wodkas feilboten: Benzin und Diesel. Tankstellen sind nämlich rar! Und wenn man mit einem Moped unterwegs ist, greift man gerne auf diese Möglichkeit der Mobilitätsgarantie zurück. Kenner (Einheimische) rauchen während des Tankens gerne eine Zigarette dazu.
Touristen haben Angst.
Dabei verunglücken diese hauptsächlich mit den manchmal miserabel gepflegten Mietmopeds (die Bremsen, ich sage nur: die Bremsen!!! Und die Reifen! die Reifen!) Kommt aber auch vor.

Doch nun zum Tempel. Vor dem Betreten einer Tempelanlage empfiehlt es sich darauf zu achten, passende Kleidung zu tragen. Der internationale Dresscode für den Besuch katholischer Kirchen in Italien, also, Badebux für Herren und Mini-Bikini für Frauen, wird auch hier sehr gerne gesehen. Berechtigt aber nicht zum Betreten einer Tempelanlage. Mein Gegendzeiger wickelte mich also in ein Tuch und der Rundgang konnte beginnen. Nein, noch nicht ganz.

Eine Gruppe adoleszenter Jung erregte zunächst meine Aufmerksamkeit. Sichtlich angetrunken, plädierten sie für einen Besuch der Anlage. Der Zutritt wurde ihnen allerdings freundlich bestimmt, verwehrt. Den Ordnungskräften selber war dies offensichtlich sehr unangenehm. Den Jungs weniger. "Haha! Die Tommys.... tststs!- war meine spontane Eingebung. Aber: Ich lag völlig falsch, denn die Jungs behielten allesamt ihre Shorts an und reckten nicht, wie sonst bei Jugendlichen, ach was, allen Altersgruppen dieser Inselnation üblich, den blanken Vollmond in die Höhe. Dieses Verhalten ist den Engländern nämlich eingenetisches Urbedürfnis. Er kann gar nicht anders. Ich warte heute noch auf eine Neuverfilmung des ollen Films "The Hill", indem man die Gefangenen den Sandhügel nicht mit Gasmasken, sondern mit um die Knöchel baumelnden Shorts.. - aber ich schweife ab.
Die Jungs waren dann wohl Australier und ich betrat nun tatsächlich den Tempelbezirk.

Wer jetzt einen dezidierten Bericht erwartet, etwa über die Architektur, die Geschichte, bzw. Sage, zur Entstehung der Anlage, der hat sich geschnitten. Der soll mal schön selbst den Reiseführer zur Hand nehmen, oder aber selber in einer Kokosnussschale, wie es der Tempelgründer auch getan, hier her reisen.

Von mir nur soviel: Die Affen sind sehr, sehr, sehr, sehr ungezogen! Keinerlei Moral und Sitte! Nichts, was beweglich am Körper oder Besucher baumelt oder sich in einer offenen (Hemd-) Tasche befindet, ist vor einem Besitzerwechsel sicher. Und weil es Rhesusaffen mit mangelhafter Mundhygiene sind, darf man entweder hoffen, daß einer der zahlreichen "Affenflüsterer" die wenig possierlichen Kerlchen zur Rückgabe überredet, oder man findet sich damit ab, daß aus einem Besitzer- ein Eigentümerwechsel wird.

Kurz vor der Rückreise wurde mein Gegendzeiger von einer Horde Menschen (6 Stück), offensichtlich Angehörige einer ganz anderen Glaubenskongretation, in ein Gespräch verwickelt. Die Horde sah mich freundlich lächelnd, lachend gar, an. Verlegen druckste mein Führer, ob ich mit jenen Menschen für ein Gruppenfoto posieren wollte. Sie waren aus einem Teil des Staates, wo es solche wie mich nicht gäbe. Mir spukten sogleich alte s/w-Aufnahmen aus Deutsch-Ostafrika im Kopf herum. Ich meine, wer bitteschön war denn hier der Tourist?

Wäre diese Aufgabe, nämlich dämlich winkende, gestellte Lichtbilder mit gequält lächelnden Subjekten zu erfragen, nicht die meinige gewesen? Dennoch, ich willigte ein, lächelnd sogar. "Hoffentlich betatschen die nicht meine Titten Brust!", dachte ich noch. Aber da kamen sie wg. ihrer Körpergröße gar nicht dran, haha! Nur der ausladende Busen einer älteren Dame berührte meine Hüfte in etwas unschicklicher Art und Weise. Anschmiegsam, das wäre wohl ein passendes Wort. Nach 3 Lichtbildern wurde ich mit einem arabischen Gruß unter großer Freude aller Beteiligten entlassen.

Ich überlegte, ob man dieses Posieren vielleicht ggn. ein kleines Entgelt professionell zur Aufbesserung der Reisekasse - doch ich verwarf diese Schnappsidee (für mehr hätte der Erlös auch nicht gelangt). Mein Gegendzeigte meinte noch, es sei ein glücklicher Umstand gewesen, daß wir keiner Schulklasse begegnet seien, die für gewöhnlich auf Einzelportraits betünden.

Ich, für meinen Teil, verbuchte dieses ungewöhnliche und etwas unangenehme Erlebnis unter der Rubrik: "Späte Sühne für Peters und von Lettow-Vorbeck". Am Ausgang genoß ich noch eine randvolle Kokosnuss, sowie einige Maniok-Chips (auf Kosten meines Gegendzeigers).

Das nun folgende, touristische Ereignis war wenig spektakulär: Abendessen im Fischrestaurant mit Blick auf den, wegen Wolkenverhang, nicht stattfindenden Sonnenuntergang.

Danach noch ein Besuch im Baumarkt (nur mal so, zum gucken) und dann die Heimreise. Ich bedankte mich fein artig für die, meiner Meinung nach, hervorragende Gegendzeigung und setzte mich, ohne große Umwege, beim einem Glas Bier auf die Veranda, um noch ein wenig ins Dunkle zu gucken. Das Dunkel wurde mit alle 2 Minuten durch das Aufleuchten der voreiligen Sylversterraketen unterbrochen.

Viele Grüße, Eric Prieditis.


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"Touristen haben Angst. Mietmopeds"
Huch, habe ich da was ausgelassen? Ich kann die Passage qua Gedächtnisprotokoll ergänzen, wenn Sie wollen.

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*hüstl. ich ergänze. moooment.

... so. verzeihung.

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Ui, ich wollte Sie keinesfalls kompromittieren! Ich bin schon ganz erstaunt, welchen Umfang die Schreibarbeiten genommen haben. Bringe ich es doch sonst kaum übers Herz, mehr als 4-5 Zeilen zu schreiben. Aber was man nicht alles macht, wenn man den ganzen Tag auf der Veranda, oder im Gartenbett lümmelt...

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also das tägliche brieföffnen und lesen bereitet mir weitaus mehr freude als die anschließenden sekretariatsarbeiten, eh klar. beim lesen liebe ich noch den umfang, höhö. etwaige tipp-/lesefehler meinerseits sind gratis!

haben sie das wirklich alles spontan daniedergeschrieben? das wäre unglaublich.

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spontan
Naja, mit ein wenig Verzögerung, ich musste das Erlebte auch immer wieder sacken lassen.
Aber abends, auf der, Sie wissen schon, habe ich dann immer fein sauber alles notiert.

Ich schrieb bereits, daß ich es für einen kommenden Klassiker der Nonsense-Literatur halte ;o)

Leider habe ich verpasst, bereits im Vorfeld die Briefe an einen Verlag zu verhökern. Schlimm ist das nicht, weil a) ich bin weder zuvor in Italien gewesen und b) habe ich keinen brasilianischen Ehemann (Haha. Von dem "damn book", so nannte es der Gegendzeiger, habe ich auch erst dort erfahren.)*

Bei Ihnen sind die sowieso besser aufgehoben*. Und bestimmt wären die Briefe anders ausgefallen, wenn ich nicht an eine mir nicht persönlich bekannte Person geschrieben hätte...

*So, werte Verlagsmenschen, nun weint mal schön ;o)

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Freie Tankstelle
(c) eric prieditis

Daneben, die von mir als "Frühblüher" bezeichneten KäseFirecracker (ohne Salz)...

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o-ha, eine explosive mischung! so ein stand in berlin am ersten mai...

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ja, eine sehr stylische Tiki Molotow-Bar

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