Mittwoch, 12. Januar 2011
::: Trommelwirbel ::: N°1 | Eric Prieditis
Auch in diesem Jahr übernimmt Frau Bona die Urlaubsvertretung des Kollegen prieditis. Der Köönstler weilte weit fort und so war die täglich angepeilte Kunstpost im Schnitt zwei Wochen unterwegs. Heute nun fischte Frau Bona erstmals Fette Beute aus dem Briefkasten.



.... -> Tag 1.

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N°1 | 27/12/2010
Werte Frau Bona! Jetzt, wo ich so tolles, feines Briefpapier habe, da fange ich den Brief am besten nochmal von vorne an. Was bislang geschah:

Weil ich zuvor über das Internet meinen Sitzplatz reservierte, mußte ich nur den Koffer abgeben. Das war ganz schön praktisch, weil mich mein Weg an ca. 200 anderen Personen in der Schlange vorbeiführte. Ich spürte ihre neidischen Blicke auf mir, aber das war mir sowas von egal... Flug: 14.°°h Abflug, da saß ich bereits 1 Stunde auf meinem Po, kurz danach gab es Bier für alle. Dann noch ein Schlückchen Wein und dann wurde das Licht gelöscht. Ich schlief ein und träumte vom Abendessen, welches auch prompt nach meinem Erwachen serviert wurde. Wenn ich nicht schlief, war ich mit dem Erstellen einer Abspielliste für die 160 Spielfilme beschäftigt, welches mir das im Vordersitz eingebaute Bordkino bereit hielt. Nach dem Frühstück, Reis mit Krabben, trank ich noch ein Bier und genoß die Landung.

Was soll ich sagen, außer vielleicht, daß ich während der gesamten Flugdauer von 12 Std irgendwas - nicht einmal (!) meinen Platz verließ: Hätte ich aber mal lieber tun sollen, denn am Zwischenstop gab es lediglich die gute alte französische Schule, was die Notduft-Anlagen betraf. Die wenigen, vermutlich mit Sitzplatz ausgestatteten Keramiken, waren bereits okkupiert und es tönten zwar nicht die Trompeten von Jericho aber immerhin ein Stöhnen der Erleichtung hinaus. Mir was das zu sehr 12-Ton und ich hielt noch ein wenig ein. 4 oder 5 Stunden, glaube ich. Es zwickte bereits ein wenig in meinen internen Gefilden, Sollte dies bereits der Vorbote des berüchtigten (Namen vergessen) gewesen sein? Zu meinem Glück war dies nicht der Fall und nach drei weiteren Flugsesselpubsen war alles wieder gut. Naja, gut nicht, aber erträglich. Die bunte Bestuhlung des zweiten Avious, einem Seelenverkäufer aus Toulouse, weckte Erinnerungen an die Anfänge der bemannten Luftfahrt. Um mich davon abzulenken, nahm ich mir eine Zeitung in Kringelschrift zur Hand und delektierte mich an den bunten Bildchen der diversen Moped-Werbungen. Kurz vor der Landung gab es noch ein reichhaltiges Reis-Krabben-Frühstück, welches ich mir schmecken ließ. Die Frage der Saftschubse nach Kaffee oder Tee beantwortete ich jovial mit: "Rotwein!".

Erfrischt und ausgeruht entstieg ich der fliegenden Sardinenbüchse und erfreute mich am zahlreich vorhandenen Bodenpersonal, welches mich freundlich lächelnd begrüßte. Durch das Gebäude führte mein Weg vorbei an weiterem, zahlreich vorhandenem Bodenpersonal sowie einigen unschlagbar günstigen Angeboten zur Zerstreuung während meines Aufenthaltes. Weil ich weder russisch noch japanisch in Wort und Schrift beherrsche, kamen diese Angebote für mich nicht in Frage und ich befürchtete, daß ich mich unglaublich langweilen würde.

Vor der Langeweile stand allerdings noch die Prüfung der Einreise. Das Zahlen der Visa-Gebühr ging, der vielen besetzten Stellen wegen, recht zügig von statten. Aber dann, die Schlange vor den Abstempelbeamten... Mit sicherem Gespühr wählte ich letztlich jene, die am langsamsten fortschritt. Ein schwacher Trost war, daß ein vor mir stehendes Seniorenpaar nach ca. 30 Minuten des Wartens bemerkte, daß sie ihre Visa noch nicht gezahlt hatten und somit seitlich aus der Schlange traten, um den Rückweg anzutreten. Natürlich nur bis zum nächsten Visa-Zahl-Schalter. Sie taten mir ein wenig leid, denn auch galt: "Weggegangen - Platz vergangen! Ätsch-Bätsch!"

Nach ca. 1,5 h Anstehen war ich an der Reihe. Mann, das hätte alles viel schneller gehen können, wie ich später aus der Zeitung erfuhr. Denn nur 2 Tage später wurde die Zahl der diensthabenden Beamten um 2 erhöht. Auf 52. Ich zählte 6. Den Schalter meines Beamten zierte ein Namensschild mit dem Wort "Alex". Das Schild an seinem Hemd wies ihn als "Jusuf"* aus. Während seiner Stempelperformance von einigen Minuten blickte er zwar nicht mich, dafür die hinter mir Wartenden an. Das Visum klebte er mir dann auf die Seite "Amtliche Vermerke" (Erst zwei Seiten später folgt: "Sichtvermerke")

Danach gab es wieder freundlich winkende Menschen (der Beamte verzog keine Miene). Diesmal waren es Geldwechsler in ihren Kabinen. Nur einer schlief mit dem Kopf auf dem Tresen. Ich erlag der Freundlichkeit und wechselte Geld. Den kleingeistigen Krämerseelen, die nun ausrufen: "Bescheuert, oder was? Viel zu teuer, schlechter Wechselkurs, etc.", denen rufe ich zu widme ich folgende Worte: "Nun schweigt fein stille, ihr daheimgebliebenen Plebs! Dies ist meine Reise, da mache ich es, wie es mir gefällt!"

Dann endlich: richtige Luft, weniger zum atmen, mehr so zum gucken. Vor dem Flughafen fand gerade eine Demonstration für bessere Lebensbedingungen statt. Ach nein, erst beim zweiten Blick erkannte ich, daß es Fahrer waren, die Schilder mit den Reisezielen, sowie die Namen der Gäste hoch hielten. Auch ich fand letztlich meinen freundlichen und sehr gelassen wirkenden Fahrer.
Die chaotisch wirkenden Verkehrsverhältnisse mit einer V/max von 35 km/h kannte ich bereits von einem Aufenthalt in Berlin. Allerdings sieht man das Autofahren wesentlich entspannter als etwa in Deutschland. Hier wartet man geduldig ab, fädelt den Verkehr ein - irgendein Fahrer wird schon warten. Manchmal springen todesmutige Hasardeure auf die Straße, um anderen Fahrzeugen die Teilnahme am Stopp-und-Fahr zu ermöglichen.
Ich, der sich durchaus nicht scheut am Brüsseler Verkehrstreiben (V/max 120 km/h) teilzunehmen, traf mit mir selbst sogleich die Abmachung: "Keinen Meter fahre ich hier selbst!" Bei Touristen kommt es nämlich manchmal vor, daß ein todesmutiger Hasardeur aus gänzlich anderen Gründen als den vorgenannten, springt. Nicht auf die Straße, sondern vor das Automobil. Denn ein appes Bein sichert den Lebensabend - für den dann der Lenker des betroffenen Automobils gerade zu stehen hat.
Nach kurzer Strecke aber langer Dauer erreichten wir mein temporäres Domizil und nach einem kurzen Hupkonzert meines Fahrers wuselten sogleich zahlreiche Hilfskräfte umher, um mir beim Tragen meines Hausrats behilflich zu sein. Sehr schön!

Ach die Ausstattung meiner Hütte: sehr schön! Sogar ein Klo zum darauf sitzen! So lebte ich mich erst einmal ein. Tat es den Einheimischen gleich und erstarrte im Stand-by-Modus.
Gegessen habe ich auch etwas. Aus einer schier unübersichtlichen Anzahl diverser Restaurants (Griechen, Italiener, Japaner, Mexikaner, sogar Nüremberger Bratwurstl mit Sourkraut gab es), wählte ich eine landestypische "Italien Style Pizza". Die wurde sogar mit dem Moped gebracht!

Jeck, wenn ich wollte, müsste ich also gar keinen Schritt vor die Türe machen. Das waren kollosale Aussichten - für den Moment, mir steckte noch die strapaziöse Anreise in den Knochen. Mit einem Stück Pizza in der Hand und dem Gesicht im Lieferkarton beschloß ich den Tag und schlief des Altruisten...

Viele Grüße, Eric Prieditis.


* Name geändert

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Nein,
das ich das noch erleben darf! Tra-ri Tra-ra, die Post ist da! Das freut mich sehr! Das ein ganzer Haufen Briefe zugleich ankam, bestätigt wohl meine Vermutungen über die dortige Sammelleidenschaft! Haha...

Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, ob denn nun wirklich ALLE Briefe kommen werden.

Und Ihnen ein Dankeschön, fürs fleißige Tippen und überhaupt die Übernahme des Notdienstes! =)

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Fleißpunkte für bona!
...all die Einhackerei....

übrigens:

Sogar ein Klo zum darauf sitzen

...damit weiß nicht jeder was anzufangen. In der Mongolei stellt man sich da durchaus auch mal auf die Klobrille...(aus der Rubrik: "Was man so sieht, wenn es keine Klotüren gibt")

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@ "übrigens"
ich möchte noch betonen, daß der darauffolgende Satz in unmittelbarem Zusammenhang zu verstehen ist ;o)

Und zu Ihrer Mongololei-Anekdote kann ich berichten, daß in den 1960er Jahren Schilder in den Werkstoiletten des Ruhrgebietes angebracht waren, die darauf hinwiesen, daß man sich nun eben nicht auf die Brille stellen sollte.

Einige meiner MitazubisInnen berichteten mir später, daß auf Toiletten der Berufsschulen, aus hygienischen Gründen, eher Steherqualitäten gefragt seien.

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Höhöhöhö
Ich lache mich grade ähnlich scheckich wie über Ihren Linolschnitt...herrlich....

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Bestimmt steht morgen früh die "saure Gurke" bei mir auf der Matte...

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@ prieditis
das war vorhin eine ordentliche hau-ruck-tipp-flott-aktion, denn es warteten termine.termine.termine. doch ich dachte mir, darauf haben wir jetzt lange genug drauf gewartet!

dankesehr für die viele schöne post!! (<- vorauseilender gehorsam!) auch ihr könig von deutschland hat mich erreicht.

ich bin gespannt, ob alle briefe eintrudeln!

@ filet & prieditis
schmutzig isser, der linolschnitt, huiuiui!

und stehklos/löcher im boden sind der frau bona seinerzeit in kiew begegnet. ein schlechter zeitpunkt, denn es dünnpfiffte gewaltig. das ganze mit ohne sichtschutz und mit ohne griffen, eh klar.

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Ich leste (sic!) spritzschutz... verzeihung

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freud hat recht!

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Das ist ja nun auch die Crux, das mit den Reisebasisdaten...

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ich möchte sagen: famos!
danke ihnen beiden!

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Und wie toll
Sie das fotografiert haben! Das sieht noch viel besser aus als wie in echt!

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öhm,... das freut mich. :)
dabei war deren hastige bearbeitung derart dilettantisch...

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Echt?

Aber was anderes: war der 27.12. der erste Brief?

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der erste brief, ja. zuvor erreichte mich jedoch eine famos kryptische runge-karte.

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Dann fehlt da was...

Aber hier hab ich noch ein Foto zum Verkehr:
(c) eric prieditis
2(!!!)-spurige Straße

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o-ha!

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Oh - so viele Briefe und noch schönere Marken!

Und Frau Bona, Sie tippen sich hier * : )

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sagen sie es ruhig! zootiere! nennen sie sie ruhig alle bei ihrem namen!

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22/12/2010
Hallo Frau Bona!



Da wollte ich doch eigentlich meine Bude auf Vordermann bringen, und dann kommt der Winter!!!

Ich habe erstmal auf Schlechtwetter plädiert und mich mit dem gesparten Geld aufgemacht. Derweil werden Bolek + Lolek vielleicht die Arbeit vollenden.

Die Post wird Sie vermutlich mit einiger Verzögerung erreichen, ich bin nämlich "JWD", janz weit draußen. Den täglichen Weg zum Postkasten werde ich nicht bewältigen können.
Noch schlimmer wird es, weil ich erfuhr, daß dies auch das Hauptpostam nicht tut. (Sie erinnern gewiß noch die Anekdote aus Frankreich: "An einem Montag im August") Auch das hiesige Postkator sammelt also erst einmal alle Sendungen, bis es irgendeinen herumstehenden Mopedfahrer beauftragt (zu einem frei verhandelbaren Tarif) die Post zum nächsten Postkantor zu verbringen. Vorausgesetzt, dieser Tag fällt nicht auf einen der 200 Feiertage im 210 Tage umfassenden Kalender.

Fortsetzung folgt!

Ihr Eric Prieditis.


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23/12/2010
Werte Frau Bona,



es folgt die Fortsetzung:

Der vorgenannte Mopedfahrer verbringt nun also die gesammelte Post zum nächsten Postkantor, wo die Sendungen abermals gesammelt werden. Sodann erhält Thor Heyerdahl den Auftrag, die Post mit sei- nem Klepperboot über das große Wasser zu paddeln. Diese Organisation klappt wie am Schnürchen. Sollte eine der vorgenannten Personen ausfallen (Feiertag!!!), dann springt vielleicht ein anderer ein. Bereitstehen täten so einige.

So hoffe ich inständig, daß sie von den vielen Briefen wenigstens einer erreichen möge, wann auch immer...

Phillip Otto Runge
: Wissen Sie, was wir ihm verdanken? Abgesehen von Farblehre, Kinderportraits, Pflanzenmystik, etc. pp? Die gespiegelten Spielkartenbildchen! Jawohl! Kein umständliches... (Fortsetzung folgt)

EP

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24/12/2010
... und zeitraubendes Umdrehen der Karten während einer gepflegten Partie "Tuppen". Toll!

Und damit auch für Sie etwas manniglich Nützliches und gleichwohl Erquickliches abfällt, schicke ich Ihnen (Sie werden es bereits geahnt haben) ein liebevoll gestaltetes Kartenspiel.

Nein! Danken müssen Sie mir nicht. Es ist Heilig Abend! Friede all jenen, die guten Willens sind...



Liebe Frau Bona,

ich habe hier bereits neue Freunde kennengelernt. Einer nennt sich "Wayan", ein ganz besonderer Kerl. Eigentlich ist er "Eckensteher" von Beruf, manchmal fährt er auch Taxi. Weil ich mich hier noch gar nicht so gut auskenne, nahm ich sein Angebot einer Fahrt zum hiesigen Supermarkt an.

Er begleitete mich durch die schmalen Gänge und wich nicht mehr von meiner Seite. Er ist nämlich der Einzige, der hier alles kennt. Man, was hatte ich Glück, gerade ihn zu treffen...

24.12.10 Note to self: Geschenke kaufen!!!

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